Da haben die Schweizer mit ihrer ihnen eigenen Präzision wieder einmal alle überrascht: Sie sind dafür, daß der Bau von Minaretten verboten ist. Wobei die wirkliche Überraschung nur auf Seiten der Schweizer selbst ist. Denn kennt man die Schweiz und ihre Geschichte, denkt etwa daran, wie spät dort das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt wurde, dann hält man die Eidgenossen nicht wirklich für tolerant und weltoffen. Oder gar für zukunfstweisend.
Abgesehen vielleicht von finanzstarken Fremden, da ist jeder Gauner herzlich willkommen.

Aber die Fortschrittlichkeit haben die Kantonsbewohner nicht erfunden (darüber tröstet auch die Erfindung des berühmten Hustenbonbons nicht hinweg).

Und so ließ man das Volk über etwas abstimmen, was ohnehin zugelassen werden muß. Denn Minarette sind Ausfluß der allgemeinen Religionsfreiheit. Und letztere gibt es bestätigten Gerüchten zufolge auch in der Schweiz. Man wird also noch eins aufs Dach bekommen vom Europäischen Gerichtshof, denn verbieten kann man Minarette gänzlich kaum. Klagen sind schon angekündigt worden. Man mag die Gebetstürme aus den Innenstädten vertreiben können. 
Aber auch von dort, wo sie niemanden stören können, kann man sie nicht fernhalten.

Das zeigt auch, daß Volksentscheide nicht der Weisheit letzter Schluß sind. Zudem zeigt es, wie gut man diese manipulieren kann. So mancher ahnt, daß nicht nur über Minarette, sondern auch und vor allem über Islamismus abgestimmt wurde. Über Fremdenangst, über Angst vor Terror und Überfremdung. Diese Ingredigenzien wurden in die Abstimmung von erzkonservativen Interessengemeinschaften grundlos eingestreut, um einen Schritt in Richtung Abschottungspolitik zu machen.
Damit hat man das Kind gleich mit dem Minarett ausgeschüttet.

Das haben weder Schweizer Presse noch die Meinungsforschungsinstitute vorhergesehen.

Auch sonstige Volksentscheide waren schon berüchtigt, wenn etwa ein Bundeskanzler Kreisky in Österreich die Abstimmung über die Kernkraft mit dem Versprechen verband, bei ihm nicht genehmer Entscheidung zurückzutreten. Weshalb die Abstimmung in erster Linie den Inhalt hatte, ihn im Amt zu halten und erst in zweiter Linie die Zukunft der Atomenergie. Oder die Entscheidung über den Petueltunnel in München, der man zustimmte, ohne an die Kosten zu denken. In Wahrheit hat man damit so manchem Kulturprojekt und sozialem Projekt den Hahn abgedreht. Jetzt hat man einen Tunnel und den Stau an einer anderen Stelle.
Wenn Volkes Stimme spricht, kann man nicht immer Vernunft erwarten.

So stehen jetzt die Schweizer wie begossene Pudel da.

Zum einen werden sie in nächster Zeit erheblich mit Widerständen aus der muslimischen Bevölkerung zu rechnen haben, zum anderen wird sich das Ganze auch wirtschaftlich negativ auswirken. Welcher Araber wird sich als Standort für Industrie gerade die minarettfreie Zone aussuchen. So mancher Investor wird sich lieber weltoffenere Plätze auswählen. Vor allem aber hat man die eigene Verfassung mit Füßen getreten.
Welchen Schaden man damit angerichtet hat, wird man erst in den nächsten Monaten sehen.

Schon jetzt aber hat man einen Imageschaden, der kaum wieder wettgemacht werden kann.

Vergessen ist die Europameisterschaft. An das Minarettverbot aber werden sich noch unsere Enkel erinnern. Wie konnten sie nur.
Ja, das kann man nicht wirklich rational erklären. Das kann man eher mit irrationalen Ängsten erklären.
Die sind aber kein guter, politischer Ratgeber.

Volk, Du hast gesprochen. Ach, hättest Du lieber Dein Mundwerk gehalten. 
Denn vor dem Sprechen sollte man denken.

Nicht nur fühlen. 
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