So ist das heutzutage (und es nimmt jährlich immer mehr zu): Das Jahr ist angefüllt mit Gedenktagen. Dieses Jahr ist Schiller 200 Jahre gestorben und auch sein Geburtstag ist 250 Jahre her (skurrilerweise in dieser Reihenfolge), die DDR vor 60 Jahren geboren worden und vor 20 Jahren gestorben (Gott sei Dank auch in dieser Reihenfolge), vor 200 Jahren sind Charles Darwin, Mendelsson-Bartholdy und Edgar Allen Poe, vor 100 Jahren Heinz Erhardt geboren. Das Fernrohr, das Galileo abgekupfert hat, wird 400, der Magdeburger Dom sogar 800 Jahre alt. Conan Dolyle ist vor 150 Jahren, Joseph Haydn ist bedauerlicherweise vor 200 Jahren gestorben.
Und so könnte man das über mehrere Seiten fortsetzen.

Jedes Jahr wird bald nur noch aus Gedenktagen, Geburtstagen und Todestagen bestehen.

Bis in 100 Jahren des Jahres gedacht wird, das erstmals ausschließlich aus Jubliläen bestand. Wenn das kein Grund zu feiern ist. Schauspieler, Musiker und Maler, die nach einiger Zeit meist beides haben, Geburts- und Todestage nämlich, werden in steifen Feierstunden auf einen Bedeutungssockel gehoben, den sie zu Lebzeiten nicht hatten. Und, wenn man Pech hat und die Namen nicht im Meer der Berühmtheiten irgendwann untergehen, das alle 50 Jahre.
Die vergehen schnell, wenn man andauernd feiert.

Soviele Straßen und Schulen kann man gar nicht bauen, daß alle zu ihrem Recht kommen. Soviele Würdenträger kann ein Gemeinwesen gar nicht ernennen, um bei all den Feierlichkeiten dabei zu sein, wenn die "großen Söhne und Töchter der Stadt" geehrt werden. Mit Feierstunden, mit Lesungen, mit Gesprächsrunden, mit Anthologien. Mit Äonen von Zeitzeugen, die irgendeinen Enkel des berühmten Mannes oder der Frau noch persönlich gekannt haben und ihn mal von weitem in der Stadt gesehen haben. Die wenig Ahnung haben vom Werk des Meisters, aber sich genau erinnern können an das warme Gefühl, das sie überkommen hat und nun in dieser Fernsehsendung wieder überkommt, als sie die Ahnen des Verflossenen einmal fast gesprochen haben. 

Die ultimative Charts-Show der Jubiläen.

Fahnen auf Halbmast, Bildung hoch gehängt, aber auf massenkompatiblem Niveau. Würdige Worte werden unter taubenverkoteten Denkmäler gesprochen, festliche Musik ertönt aus mäßig gestimmten Blechblasinstrumenten, betagte Würdenträger nicken ob der Länge der Feierstunden friedlich auf unbequemen Stühlen feierlich ein.
Und das Tag für Tag, Woche für Woche, das ganze Jahr über.

Und das folgende Jahr wird auch nicht anders.

Wir brauchen unbedingt einen Feierbeauftragten. Einer mehr, der es zu Ruhm und Ansehen bringen kann. Und irgendwann selbst gefeiert werden wird. 
In Amt und Würden.
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