Mit Leid hat das nicht immer zu tun, was man da mitempfindet. Jedenfalls nicht mit wirklicher  Misere. Wer den Silbermedalliengewinner bedauert, weil er nicht Gold gewonnen hat, der empfindet Mitleid. Aber nur auf der Zwei auf dem Podest zu stehen, bedeutet nicht wirklich zu leiden. Mag man auch darunter leiden: So ganz verdient er unser Mitleid nicht.
Was soll da erst der letztplatzierte Teilnehmer sagen.

Den kennt man nicht. Deshalb hat man mit diesem kein Mitleid.

Von denjenigen gar nicht erst zu sprechen, die nicht einmal die Qualifikation geschafft haben. Oder die gar nicht erst in der Qualifikation angetreten sind, weil sie verletzt waren. Oder diejenigen, die gar nicht die körperlichen Voraussetzungen haben, in irgend einer Qualifikation mitzuwirken. Nicht zu vergessen die Behinderten, die sich überhaupt nicht sprotlich betätigen können (wobei auch nicht jeder unter seinem Handicap leidet und dem Leben keinen Genuß abgewinnen kann).
Mitleid scheint sehr situationsabhängig zu sein.

Und die Objekte des Mitleidens werden im allgemeinen nur in bestimmter Umgebung zu bemitleiden sein.

So leidet man mit dem Zweiten nur angesichts des ersten Siegers, nicht aber, wenn er zu Hause triumphal empfangen wird. So leidet man mit dem lebenslang verserten Unfallopfer, aber nicht mehr, wenn er sich in seine Lage als Rollstuhlfahrer eingelebt hat und ein erfolgreiches Dasein mit Beruf, Familie und Freunden führt. So leidet man mit jemandem, der seine Gewichtsprobleme nicht in den Griff bekommt und selbst erheblich darunter leidet; aber nicht mehr, wenn einem der Hunger in der Zweidrittelwelt nahegebracht oder ins Gedächtnis gerufen wird.
Leid ist relativ.

Und Mitleid auch.

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