Ein böses Wort, das sich auch gegen den Geschädigten richtet. Denn im Leben liegt die Wahrheit oftmals in der Mitte. Vielleicht nicht in der geometrischen Mitte, aber eben zwischen den Extremen. So werden zuweilen Verursacher belangt, die nicht die ganze Schuld tragen. Aber man wagt nicht, an der vermeintlichen Unschuld des armen Opfers zu rütteln. 
Das ist eine Frage der Ansicht.

Wer schutzwürdig aussieht, wird auch so behandelt.

Wenn ein junger Mensch im Straßenverkehr stirbt, sucht man sich einen sonstigen Schuldigen. Daß der verkehrsunerfahrene Anfänger selbst durch eine Fehlreaktion an seinem Schicksal mitschuldig sein könnte, ist schon aus Gründen des Mitleids undenkbar. Das verbietet sich schon aus Gründen der Pietät und im Angesicht der Verwandten. Daß der junge Mensch den Gegebenheiten des Verkehrs überfordert gegenüberstehen könnte, spricht man besser nicht laut aus.
Schuld trifft den Gegenverkehr, die Straßenbehörde, die Autohersteller oder notfalls ein Reh, dem es auzuweichen galt.

Aber die traurige Wahrheit, daß Fahranfänger oftmals schlicht überfordert und auch unreif sein könnten, kommt weniger zum Tragen.

Es gibt aber merkwürdigerweise Bereiche, in denen das genau umgekehrt ist. So ist die Ansicht, Opfer sexueller Gewalt seien teilweise selbst Schuld an ihrer Misere, nicht auszurotten. Die Geschädigten haben sich halt zu sexy gekleidet, waren zu provokativ und haben die Täter bewußt herausgefordert. Da kann das Opfer noch so alt sein, es trägt Mitschuld. Da kann man noch so oft die These vertreten, es handele sich bei sexueller Gewalt nicht in erster Linie um sexuelle Befriedigung, sondern um eine Demonstration der Macht, Vergewaltigungsopfer werden immer schief angesehen.
Und trauen sich oft schon aus Scham nicht, ihre Peiniger anzuzeigen.

Verkehrte Welt.  
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