Was Schüler nicht für möglich halten: Irgendwann hat man seine Schulpflicht (vielleicht sogar die Kür) erfüllt und ist in die Freiheit entlassen. Nie mehr Schule, sondern ein richtiges Leben in Eigenverantwortung. Selbst wählen können, was man will. Und sich nicht mit Matematik beschäftigen müssen, wenn man dafür wenig Begabung hat. Und dann wächst dennoch nach einigen Jahren der Wunsch, die alten Klassenkameraden doch noch einmal wieder zu sehen.
Was wohl aus ihnen geworden ist? Haben sie sich verändert?

In Erinnerungen schwelgen an das, was gut war.

Ja, man glaubt es kaum: Es war doch vieles gut. Oder kommt einem im Abstand einiger Jahre doch so vor. Jetzt drücken einen Steuerlast und Kindergeschrei, damals ging es um die erste Liebe und den Kampf mit der eigenen Pubertät. Jetzt fährt man einen halbwegs neuen Wagen, damals fuhr man Rad, und wenn man Glück hatte, Mofa. Jetzt bekommt man einen Bauch, damals bekam man Pickel und einen Flaum unter den Nase.
Ja, das waren noch Zeiten.

Und dann sieht man sie wieder, all die kleinen Buben und Mädchen, jetzt körperlich verändert, aber immer noch zu erkennen. Und für einen selbst wird auch der Arzt oder der Architekt immer der kleine Dreikäsehoch bleiben, der einmal beim Spicken erwischt wurde, dafür eine sechs kassiert hat und deswegen bitterlich weinen mußte. Jetzt rettet er Leben oder zieht Katedralen hoch, aber damals zog er die Nase hoch und rettete sich irgendwie ins Abitur.
Allerdings ändert sich noch etwas.

Die Menschen werden älter als das, was man selbst in dem Alter für möglich hielt.

Aus dem Abstand von 10 Jahren kommt es einem vor, als sei man gerade erst von seiner Bank aufgestanden. Nach 20 Jahren aber werden die Haare weniger und die Bäuche mehr, werden blühende Schönheiten zu jungen Großmüttern. Langehaarige Gazellen verwandeln sich in kurzhaarige Matronen, Muttersöhnchen werden zu Spießern. Die Stimmen bleiben noch gleich, aber das Schicksal hat erste Spuren in den Gesichtern hinterlassen. Die, die nur Katastrophen vorzuweisen haben, bleiben gleich ganz zu Hause.
Es kommen nur die, die zumindest feste Arbeitsplätze oder funktionierende Partnerschaften vorzuweisen haben. Oder beides.

Man will ja nicht jedem sagen: Ich bin allein und arbeitslos.

Die, die noch kommen, sind allerdings im Kern kaum verändert, schon nach ein paar Minuten sind die Jahre wie fortgeblasen. Die, mit denen man sich früher verstanden hat, sind immer noch zugänglich. Diejenigen, die dir eher den Tag verdorben haben, sind immer noch ungenießbar. Freilich ist aus so manchem hochfliegenden Plan nur ein kleines bodenständiges Plänchen geworden. Man hat ein paar Kinder, ein kleines Haus und einen kleinen Betrieb. Schauspieler aus der dritten Reihe und Ärzte mit Grenzen, Richter an kleinen Amtsgerichten und Kameramann für kleine Produktionen.
Aber jeder, der kommt, hat etwas vorzuweisen.

Oder erzählt es zumindest.

Und der Sinn der Aktion: Zu sehen, wo die anderen stehen. Und wo man selbst steht. Man hat es gar nicht so schlecht erwischt, kann durchaus mithalten. Man hat die Weltgeschichte nicht verändert, aber die Weltgeschichte hat einen auch nicht so stark verändert, daß man nicht mehr man selbst ist.
Und man geht auseinander mit dem Gefühl: Hurra, wir leben noch.

Wer weiß allerdings, wie lange noch.

Wird man einer der wenigen sein, die das 50jährige noch miterleben? Oder wird beim 50jährigen dann über einen gesagt: Von Benkel, der ist auch schon lange nicht mehr, weiß du noch?
Und man weiß. Und erinnert sich noch an dich.

Oder, wenn man Pech hat, auch nicht.

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