Kaplitaldelikte sind diejenigen mit der höchsten Strafdrohung. Diese rechtfertigt sich damit, daß Mörder ihren Opfern das wertvollste Gut nehmen, das der Mensch besitzt. Aber Kapitaldelikte wecken auch das höchste Interesse der Menschen. Wohl, weil damit eine Grenzverletzung einher geht, die elementar ist.
Man mordet einfach nicht, weil man damit bewußt die in jedem von uns verborgene Tötungshemmung überwunden werden muß.
Wobei der Mensch dem Menschen bekanntlich ein Wolf ist.

Und so doch tagtäglich die ultimative Grenze verletzt wird, durch Grenzverletzungen zwischen Völkern, durch Habgier oder angeblich gerechtfertigt durch Kriegszeiten. Daß auch unter diesen Bedingungen Mord nichts selbstverständliches ist, auch für den Täter nicht, folgt aus dem Fluch der bösen Tat. Denn Mörder haben mit ernsthaften Sanktionen zu rechnen.
Und sei es nur die, die das eigenen Gewissen bereitet. Die Gefühlskälte, die moderne Krimis oft Serientätern andichten, sind wenig realistisch oder entspringen einem pathologischen Problem, das allerdings deutlich seltener ist, als der Laie annimmt.

Beweis dafür, daß es falsch ist, anderen das Leben zu nehmen.

Auch ich habe schon mehrfach gemordet - wenn auch nur auf dem Papier. Wenngleich manchen der Hang von Schriftstellern, Menschen auch nur gedanklich um die Ecke zu bringen, auch verdächtig erscheint. Umso mehr, wenn man erdachte Menschen erdachte Todesarten sterben läßt allein der Effekthascherei wegen; daß man nämlich Leser findet die sich für derlei Abscheulichkeiten auch noch interessieren. Und dafür läßt man seine fiktiven Opfer auch nur über die Klinge springen: Daß andere sich für diese Geschichten erwärmen und die mühsam geschriebenen Bücher kaufen.
Also letztlich für Geld und Ruhm.

Macht das die mörderischen Gedanken besser? 

Selbst, wenn eine besonders raffiniert ausgedachte Tötungsmethode trotz vermeintlich sicherer Nichtentlarvung des Täters wider Erwarten keine perversen Nachahmer in der Realität findet, ist es dennoch bizarr, seine Phantasie darauf zu richten, wie man jemanden über den Jordan schicken kann.
Der Krimiautor, der hat doch sicher ein paar Schrauben locker?

Oder katalisiert sich nur ein böser Charakterzug konstruktiv in etwas künstlerisches, statt in der wirklichen Welt Unheil und Leid zu verbreiten? Denn alle, wirklich jeder hat so eine dunkle Seite, die sich aber höchstens einmal verbal äußert und nur statistisch äußerst selten wirklich einmal zum Tragen kommt. In der falschen Situation in der falschen Stimmung auf dem falschen Fuß erwischt ist der Mensch zu falschen Entscheidungen fähig, darüber sollte man sich keine falschen Hoffnungen machen.
Aber als Freizeitgestaltung? 

An einem Sonnentag in der Hängematte den bösen Buben an der Tastatur herauskehren? 

Vielleicht will der Mensch immer seine Grenzen ausloten, ein Zug, der positive wie negative Züge trägt. Positive, weil ohne diesen Willen zur Suche nach dem, was hinter dem Horizont liegt, wir alle noch in Höhlen wohnen würden. Negativ, weil uns auch allen zur Selbsterhaltung, also egoistischen Gründen der Hang zur Gewalt gegen andere selbst aus Gründen, die nicht direkt mit Notsituationen zusammenhängen, in die Wiege gelegt wurde. Denn diejenigen, die immer mit ihrem Schicksal zufrieden waren, die starben friedlich in ihrer Steinzeithöhle, weil sie vom Säbelzahntiger gefressen worden sind. Nur diejenigen überlebten und konnten uns ihre Gene vererben, die sich im Vorfeld mit dem Töten beschäftigt hatten und aus diesem Grund Speere oder andere Waffen nicht nur zufällig bei sich trugen. Die mit den friedlichen Gedanken haben keine solchen an Mordwerkzeuge verschwendet und auch nicht die Nachbarsippe im Winter bei kargem Nahrungsangebot beseitigt.
Wir stammen alle von Menschen ab, die der Gewalt ihr Überleben verdanken.

Und dieses Potential steckt in uns allen. 
Besser, man schreibt es sich von der Seele, statt es in sich schlummern zu lassen und erst in einer Extremsituation festzustellen: Hey, ich bin ja doch zu einem Amoklauf fähig.
Das, wenn ich gewußt hätte.

Dann hätte ich vielleicht Krimis geschrieben, dabei Geld verdient und wäre meine Aggressionen noch zivilisiert losgeworden.
Statt in einem mitzuspielen, in beeindruckender Echtzeit.

Und ganz ohne Happy End.
Zumindest für den Täter.
Zurück zu Home