Trotz einer Lebenserwartung von etwa 80 Jahren wähnen sich die meisten Menschen in der Lebensmitte im Alter von 50 Jahren. Zudem glauben sie, ihre Lebensmitte bereits gefunden zu haben, wenn  sie erst einmal lange genug auf derselben Arbeitsstelle tätig sind, im selben Haus mit derselben Familie wohnen und auch ihr Steckenpferd schon lange genug ausüben.
Geschäftigkeit wie üblich, und das ist allein vom Zeitfaktor abhängig.

Weniger von einem selbst.

Wobei die Wahrheit wohl auch hier, wie fast überall, in der Mitte liegt. Vielleicht nicht in der geometrischen Mitte, aber jedenfalls nicht in einer Extremposition. Völlige Eingebundenheit in kleinbürgerliche Scheinidylle ist ebensowenig zahnverträglich (weil zuckersüß) wie völlige Unabhängigkeit von jedem Zugehörigkeitsgefühl, wenn man alleine auf sich angewiesen und im Grunde allen     anderen Menschen egal ist. Es wäre auch nicht gut, zu verschwenderisch zu sein und dann geradezu zu verarmen, wie es auch nicht gut ist, allzu geizig zu sein.
Das wünschen sich alleine die Erben.

Denn Geizhälse sind unangenehme Zeitgenossen, aber angenehme Vorfahren.

Wenn man aber nicht nur als Vorfahr wohlgelitten sein möchte, dann sollte man sich hin zu einer Freigiebigkeit hin entwickeln. Dann sollte man weder zu vorsichtig, noch zu wagemutig sein. Dann sollte man weder zu unterwürfig, noch zu dominant sein (die Herrschsüchtigen sind im Herzen einsam). Dann sollte man weder zu faul, noch zu fleißig sein (weil Arbeit auch in einer Sucht enden kann).
Die Wahrheit liegt meist ausgleichend in der Mitte.

Manchmal ist der Mittelpunkt aber auch Zufall.

Wie auch in der Ortsmitte meist Rathaus und Kirche zu finden sind und sich die in der Mitte der Gesellschaft wohler fühlen als die am Rande der Gesellschaft. Der Mittelpunkt einer Feier kann zufällig nicht der interesanteste Gast sein, sondern derjenige, der aus welcher Fügung des Schicksale auch immer einmal einen wirklich berühmten Menschen getroffen hat. In der Mitte der Windhose herrscht Windstille, als ob man dort überhaupt nicht mitbekäme, was um einen herum wirklich los ist. Ins Schwarze zu treffen ist nicht nur vom Können, sondern auch von Ausrütsung und dem Zufall abhängig; selbst der beste Schütze trifft nicht immer die Mitte der Scheibe. Die Mitte eines Romans zu kennen bringt wenig, wenn man weder Anfang noch Schluß kennt, nicht weiß, wer der Mörder, unter Umständen nicht einmal weiß, wer das Opfer ist.
Mittendrin statt richtig dabei.

Die Mitte ist meist positiv besetzt.

Die Körpermitte steht auch im Mittelpunkt des Interesses, ob es nun der Bauch wegen des Gewichts oder die Geschlechtsorgane wegen des Triebs sind. Jeder der großen Volksparteien behaupten, die politische Mitte zu vertreten, ob es nun die Erzkonservativen oder die Linksliberalen sind. Alle nicht wirklich Prominenten beherrschen die Kunst, auf jedem Foto in der Mitte abgebildet zu werden.
Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen es weniger gut ist, allzu mittig positioniert zu sein.

So, wenn man mitten zwischen die Augen getroffen wird. Oder mitten ins Herz. Mitten ins Mark. Mitten im Leben hat auch den Ruch biederer Provinzialität. Mitten auf der Straße zu stehen ist gefährlich.
Denn Mitte hat auch mit Balance zu tun.

Und allzuviel Gleichgewicht zu haben, ist ein Zustand völliger, langweiliger Starrheit.

Und wer will das schon. Man will als ein wenig verrückt, also gerückt aus der Mitte gelten, ein wenig Unwucht haben, nicht allzu glatt und makellos sein.
Wohl, weil man ohnehin keine andere Wahl hat.

Wer ist schon der mittige Durchschnitt aus allen anderen? Nur alle anderen.

Zurück zu Home