Das Sexualstrafrecht wird reformiert. Kritiker fordern, daß auch alle sexuelle Handlungen gegen den Willen strafbar sein sollen. Ein bloßes "Nein" - wohl auch Verhalten, das auf ein "Nein" schließen läßt - soll bei anschließenden sexuellen Handlungen ausreichen, um die Strafbarkeit auszulösen. Hierzu ein paar Gedanken, die nicht vollständig sein müssen und auch nicht absolut zu verstehen sein sollen.

1. Es muß im Grunde nicht ausdrücklich gesagt werden, daß im täglichen Leben ein entgegenstehender Wille nicht ignoriert werden darf. Jeder anständige und moralisch integre Mensch wird dies respektieren. Fraglich aber ist, ob es sinnvoll ist, dies unter Kriminlastrafe zu stellen.

2. Sexuelle Handlungen, die erzwungen werden, beruhen weniger auf schlichter Befriedigung des Sexualtriebs, sondern - das ist wohl herrschende Meinung der Wissenschaft - auf dem Versuch, Macht auszuüben. Anders sind etwa Vergewaltigungen von Opfern jenseits der 80 oder durch Täter, die durchaus Sexualpartner haben, teilweise mehrere, kaum zu erklären.

3. Bereits das geltende Sexualstrafrecht stößt auf Schwierigkeiten, was die Beweisführung anbelangt. Selbst Verfahren, bei denen die Anzeigenerstatter nachweislich körperliche Verletzungen erlitten haben, haben schon mit Freisprüchen geendet. Selbst das Zerfetzen der Kleidung des Opfers reicht nicht in jedem Fall für eine Verurteilung aus. Wie soll dann erst bewiesen werden zur Überzeugung der Gerichte, daß ausschließlich ein entgegenstehender Wille vorlag? Und, genauso releveant: Daß dies vom Täter auch zur Kenntnis gekommen ist?

4. Die Zahl der vorsätzlichen Falschanzeigen soll zwischen 7 und 8 % liegen, glaubt man der Statistik der Landeskriminalämter. Darin einbezogen sind allerdings nur die Fälle, die so deutlich waren, daß die Anzeigenerstatter ihrerseits Beschuldigte in einem Strafverfahren wurden. Untersuchungen zu einer Dunkelziffer liegen nicht vor. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Es gilt aber in jeden Strafverfahren, festzustellen, ob tatsächlich ein Sexualdelikt begangen wurde. Oder ob ein Fall einer Falschanzeige vorliegt.

5. Ein entgegenstehender Wille muß sich nicht nur manifestieren, sondern auch beweisbar vom Täter wahrgenommen werden. Hier stellt sich auch die Frage, wie deutlich der Wille zu bekunden ist. Auch ist zu hinterfragen, ob eine negative Bekundung des/der AnzeigenerstatterIn stetig von selbst bestehen bleibt, bestätigt werden muß oder durch nachfolgendes Verhalten relativierbar ist. Oder zumindest dies vom Beschuldigten so aufgefaßt werden kann oder zumindest so aufgefaßt wurde. Wie lange wirkt ein "Nein" nach? Nur in der konkreten Situation? Nur in dem Augenblick, in dem es bekundet wurde? Auch für nachfolgende Sachverhalte? Kann der Beschuldigte aus späterem Verhalten des/der AnzeigenerstatterIn den Schluß ziehen dürfen, das "Nein" bestehe nicht mehr?

6. Nur etwa 40% aller Anzeigen wegen Sexualdelikte münden in gerichtlichen Verfahren. Die überwiegende Zahl der Verfahren wird eingestellt, weil etwa die Täter nicht bekannt werden (was ohne weiteres nachvollziehbar ist). Oder, weil die AnzeigenerstatterInnen sich widersprechen oder die Umstände der Anzeige auffällig sind. Anzeigen der Qualität, daß die Anzeigenstatterin etwa selbst bei einem Ladendiebstahl ertappt wurde und in ihrer Aussage angibt, vor einigen Jahren vergewaltigt worden zu sein, sind durchaus keine Seltenheit. Auf solche Aussagen aber wird ein Tatnachweis kaum zu stützen sein. Natürlich ist es kein Gegenbeweis, wenn etwa die Anzeigenerstatterin nach lange nach der angezeigten Vergewaltigung mit dem Beschuldigten zusammen bleibt oder sogar weiter mit ihm in einer Wohnung lebt. Aber es muß vielmehr der Beweis der Schuld erbracht werden, was in solch einer Konstellation durchaus schwierig werden kann. Nicht alle Sexualstraftaten werden unverzüglich angezeigt. Spuren oder sonstige Hinweise können dann unwiederbringlich verloren sein. Hier sind die Strafverfolgungsbehörden zurückhaltend, wenn sich der Tatnachweis allein auf die Aussage des/der AnzeigenerstatterIn stützt, ohne sonstige Indizien. Wie sollte sich das ändern, wenn sogar ein bloßes "Nein" ausreicht, um anschließende sexuelle Handlungen strafbar erscheinen zu lassen?

7. Sexuelle Handlungen gegen den bloßen Willen unter Strafe zu stellen mag wünschenswert erscheinen. Erfolgreich wird diese Strategie nicht sein. Bestraft werden dann wohl nur die Täter, die vor Gericht zugeben, daß sie den entgegenstehenden Willen bemerkt haben. Dieser Fall dürfte selten sein. Vergewaltigung etwa ist wegen des Strafrahmens ein Verbrechen mit der Folge, daß dem Beschuldigten zwingend ein Rechtsanwalt zur Seite stehen muß. Dieser wird in jedem Fall seinem Mandanten zum Schweigen raten. Es ist ihm auch nicht verboten, Zweifel an der Aussage der/der AnzeigenerstatterIn zu sähen. Die Glaubwürdigkeit des/derselben dürfte im Mittelpunkt des Prozesses stehen. Zweifel daran gehen aber immer zugunsten der Angeklagten aus. Das deutsche Verständnis des Strafrechts geht davon aus, daß man besser einen Schuldigen freispricht, als einen Unschuldigen zu verurteilen.

Als Fazit sehe ich einer entsprechenden Verschärfung des Sexualstrafrechtes mit gemischten Gefühlen entgegen. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Ich fürchte nur, ein solches Gesetz führt in der Praxis kaum zu einer Verurteilung.

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