Manche Menschen sehen das ganze Dasein allein unter einem einzigen Gesichtspunkt. Jeder Spezialist rechnet aus seinem winzigen Fachgebiet auf das gesamte Universum hoch. So meinen Schuster, aus dem Schuhwerk eines Menschen dessen gesamte Existenz beurteilen zu können. Der Friseur schließt aus deiner Haartracht auf deinen Charakter, der Schneider erfaßt deine Seele aus dem Tuch, das du am Leibe trägst. So mancher junge Mensch glaubt, daß du dich und deinen Körper vernachlässigt, wenn du dir nicht einmal deine Achselhaare rasierst. Schon aus deiner Handschrift - wenn du in Zeiten allgegenwärtiger Tastaturen überhaupt noch eine solche hast - kann ein selbsternannter Experte deine dunkelsten Tiefen ausloten. 

Sage mir deinen Namen und ich sage dir, wie du heißt.

 

Aber das ist immer noch angenehmer, als das gesamte Sein nur als reinen Wettbewerb zu qualifizieren.

 

Man mißt sich, und zwar ständig. Im Beruf ohnehin, aber auch in der Liebe, wo man sich gegen alle möglichen Konkurrenten durchsetzen und anschließend behaupten muß. Gegenüber dem Nachbarn muß man Flagge zeigen (gegebenenfalls größere), wenn es gilt, Gartenpflege zu demonstrieren oder seinen Fuhrpark aufzurüsten. Selbst deinen besten Freund willst du beim Schach oder Tennis schlagen. In deiner Beziehung solltes du versuchen, dich nicht unterbuttern zu lassen und selbst der entfernteste Internetbenutzer hält dich noch dazu an, bei Onlinespielen alles zu geben.

Dabei sein ist nicht alles.

 

Besser zu sein ist das Ziel, denn dabei bist du schon. Und das war leicht, keine Herausforderung.

 

Man kann alles unter dem Gesichtspunkt des Kampfes sehen. Oder auch nicht. Man kann dem Nachbarn sein großes PS-Monster gönnen (dann ist man halt besser als Öko), man kann seiner Frau auch einmal Recht geben (dann ist man der nachgiebigere Teil und auch besser in Beziehungsfragen als so mancher beziehungsgeschädigter Beziehungsschädiger), man kann seinen alten Freund gewinnen lassen (dann ist man der bessere oder doch zumindest ein guter Mensch). Man kann den Kollegen vorbeilassen, wenn er sich vordrängelt (und auch hinter seinem Rücken nicht über ihn lästern), man kann dem Partner ihren Freiraum lassen (und der Eifersucht abschwören).

All das kann man machen.

 

Macht man aber nur mit erheblicher Mühe.

 

Schließlich will man sich doch messen. Sei es zum Spaß, sei es aus innerer Notwendigkeit. Wobei: Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, immer der Bessere sein zu müssen.

Das gilt für Sie auch?

 

Wetten, mein Bedürfnis, immer der Bessere sein zu wollen, ist geringer als Ihres.

Zurück zu Home