Fast jeder hat eines, manche sogar mehrere: Eine Person, an der man sich orientiert, die etwas kann oder ist, was man selbst gern könnte oder wäre. Eine Person, die man sich als leuchtendes Beispiel dafür wählt, wo die eigene Reise hingehen soll oder zumindest könnte. Alle kleine Nachwuchskicker eifern großen Namen mit lächerlichen Haarschnitten, alle angehenden Musiker großen Namen mit nur teilweise lächerlichen Haarschnitten und viele junge Damen anderen jungen Damen mit unfreiwillig komischen Haarschnitten nach. Wer malt, liebt Gemälde großer Maler, wer schreibt Bücher großer Dichter und Schriftsteller. Wer nichts kann, will wenigsten sein wie Verona Pooth.
Man sucht sich jemanden, der das eigene Ziel schon verkörpert.

Möglichst jemanden, den man nicht erreichen kann.

So wird es weder einen zweiten Goethe (leider), noch einen zweiten Beckham (Gott sei Dank) oder eine dritte (oder schon vierte?) Heidi Klum geben. Aber man kann es ja zumindest versuchen. Wenn sich auch oft auf dem eigenen Weg zu einem Ziel die Idealvorstellung wandelt. Wollte man in sehr jungen Jahren noch klingen wie die Rolling Stones (da liegen die jungen Jahre schon ein wenig zurück) oder wie Tokio Hotel, könnte man sich irgendwann unter den Fans von Jethro Tull (auch da liegen die guten Zeiten schon deutlich im letzten Jahrtausend) oder auch Metallica oder Deep Purple (die haben lange Zeiten, die gut waren) wiederfinden.
Aber auch gesellschaftlich sind Idole dem Wandel unterworfen.

Heilige Kühe früherer Tage sind teilweise längst geschlachtet.

So sind die Vorbilder ganzer Generationen wie Mahatma Ghandi, Willy Brandt oder John Lennon heute nur noch historische Figuren aus einer längst vergangenen Zeit. Wobei die Leute, die sich heute in Richtung einer Paris Hilton orientieren, sich über deren geringe Halbwertszeit als stilbildend noch wundern werden.
Hoffentlich bin nicht ich es, der sich wundern wird.

Man weiß ja nie, wie dumm die Menschheit noch werden könnte.

Altgediente Haudegen aus einer längst überlebten Zeit wie etwa Franz Josef Strauß waren Gewinner ihrer Tage. Heutzutage würden sie sich bei gleicher Verhaltensweise wohl kaum lange halten können. Vorbilder waren, zumindest solche, die überregional oder gar international Geltung hatten, meist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 
Wobei sogar die Orte sich geändert haben, von den Zeiten gar nicht erst zu reden.

Um Vorbild zu sein, genügt es also nicht, genial oder meisterlich zu sein (genau genommen sind das Eigenschaften, die man als Idol zuweilen gar nicht benötigt). Man muß auch den Zeitgeist treffen, muß zwar auf der Höhe der Zeit sein, vielleicht sogar ein wenig voraus.
Aber nicht zu sehr voraus, denn wer zu weit von seiner Zeit entfernt ist, wird von dieser gar nicht erst wahrgenommen.

Wer seiner Zeit voraus ist, scheint ihr auch oft hinterher zu sein.

Am besten, man steht im Mittelpunkt, dann kann man nichts falsch machen. Aber man muß natürlich erst einmal in den Mittelpunkt kommen. Wenn einen nur die eigene Mutter (für die man immer der Beste ist) und noch ein paar Freunde vom Stammtisch kennen, dann taugt man als Vorbild nicht wirklich. Man muß nicht einmal positiv im Gedächtnis bleiben, wie etwa diejenigen beweisen, die Amokläufern nachmachen, was Amokläufer eben so vormachen.
Aber positiv besetzt zu sein, erweitert den Kreis potentieller Anhänger natürlich erheblich.

Gesetzt dem Fall, man taugt überhaupt als Vorbild.

Für die eigenen Kinder kann man ein Vorbild sein (gewöhnlich aber nur solange, bis diese in die Pupertät eintreten, dann wird man zuweilen zum Antichrist), auch für die Untergebenen (allerdings gilt für diese zum Teil das, was ich gerade zu den Eltern geschrieben habe, nur noch zeitlich her) oder Kollegen (bei diesen kann am als Vorbild gelten, wenn man nicht da ist und trotzdem nicht schlecht über einen geredet wird) kann man zum Vorbild werden.
Aber es nicht unbedingt lange bleiben.

Denn bleibend ist in dieser Welt kaum etwas, vor allem nicht der Eindruck, den man auf andere macht, so bleibend der Eindruck auch genannt wird. Vor allem darf man als Anhänger nicht sein Idol irgendwann überholen, denn auch dann hat es sich schnell ausgevorbildet (Anhänger heißen ja gerade "Anhänger", weil sie hinter dem Zugpferd hergondeln).
Vorbilder sollten sich schon vor der Meute befinden.

Und bisweilen ist einem auch selbst nicht so ganz klar, wen man eigentlich als Vorbild hat. Wenn man sich aus mehreren Persönlichkeiten ein virtuelles Idol geschaffen hat, das allen Ansprüchen, aber nicht dem nach Realität gerecht wird. Ein solches Vorbild hat zudem den Vorteil, daß man nach Belieben einzelne Charakterzüge austauschen kann und neue Fähigkeiten einbauen kann, je nach Neigung und persönlicher Erfahrung.

Wen aber nehmen sich eigentlich Vorbilder selbst zum Vorbild? Sich selbst? Oder jemanden anders? Warum erwählt man sich dann nicht besser das Vorbild seines Vorbildes zum Vorbild, warum folgt man der Möchtegern-Kopie? Oder will man nicht wahrhaben, daß auch sein Vorbild noch irgendwo hinwill, noch etwas können oder sein will, was es noch nicht ist? Sogar das Vorbild ist wandelbar?
Na, wenn das nicht beruhigend ist.

Vorbilder sind auch nur Menschen. 
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