Was jetzt aufgrund des Amoklaufs nahe Stuttgart wieder heiß diskutiert wird, besteht im Grunde schon lange: Die Debatte darüber, ob es wirklich hinzunehmen ist, daß man spielerisch töten können muß, wenn auch nur virtuell. Zwar ist auch der Aufschrei der jungen Generation hörbar, daß das Drama, das die Diskussion wieder angeheizt hat, in keiner Weise auf Computerspiele zurückzuführen sei. Ältere Menschen, die solche Spiele im übrigen noch nie ausprobiert hätten, wüßten ohnehin gar nicht, von was sie das sprächen.
Es wäre allerdings billig zu erwidern, daß sich die Täter der bisherigen Schulmassaker ausschließlich aus jüngeren Menschen rekrutieren.

Und daß diese allesamt das Töten am Computer geübt haben, zumindest virtuell ausgeübt.

Wenn man nun von Untersuchungen liest, daß Volljährige im Computerzeitalter in aller Regel um die 15.000 Tötungen miterlebt haben, dann sollte einem solch eine Zahl durchaus zu denken geben. Kann diese Art des ständigen Umbringens von Menschen an zarten Kinderseelen spurlos vorbeigehen? Vor allem, wenn man bedenkt, wie realistisch in Akustik und Optik die Spiele mittlerweile geworden sind. Da wird nichts der Phantasie überlassen. Da spritzt das Blut in allen Einzelheiten und in Zeitlupe in graphisch anspruchsvoller Art und Weise über den Bildschirm und wird von den Konsumenten auch speziell bezüglich der Authentizität gewürdigt. Sicher haben frühere Generationen auch Räuber und Gendarm gespielt und hierbei auch Spielzeugwaffen auf lebendige Spielkameraden gerichtet. Aber der Realismus hörte bei einem verbal geäußerten "Peng, peng" auf und setzte sich auch nicht in Blutlachen und dem widerlichen Angesicht des Todes fort.
Sonst ist man doch so peinlich darauf bedacht, Kinder und Jugendliche bloß nicht zu überfordern.

Druck und Streß ist tunlichst zu vermeiden, wofür sicher einiges spricht.

Warum man aber zuläßt, daß Halbwüchsige immerwährende Zeugen wilder Metzeleien von Menschen werden, bleibt schleierhaft. Das soll sich nicht auf die Psyche der jungen Menschen gerade in der prägenden Phase der Pubertät auswirken, in der noch rohe, ungebändigte Kräfte im jungen Zeitgenossen walten, die dieser noch nicht annähernd im Griff hat, gar nicht haben kann? Es mag sein, daß nur ein winziger Bruchteil die virtuellen Schrecken auch in die Tat umsetzt. 
Und sicher mögen auch sonstige Umstände mitschwingen. 

Aber sollte es sich bei sogenannten Killerspielen um einen Faktor handeln, der auch nur eine von mehreren Ursachen darstellt, dann ist diese in jedem Fall tunlichst zu vermeiden. 

Nachahmungseffekte durch Halbwüchsige ziehen sich durch die Geschichte, angefangen von der Selbstmordwelle nach dem Erscheinen von Goethes "Werther" über den signifikanten Anstieg von Knochenbrüchen auf Schulhöfen nach der Ausstrahlung der Fernsehserie "Kung Fu" bis eben hin zu Amokläufen, die vom Ablauf so manchem Abknallen am PC frappierend ähneln. Schließlich besteht ein Großteil der Heranreifung im Nachahmen. Woraus sollen Menschen denn sonst lernen als aus dem, was sie tagtäglich serviert bekommen? Sie ahmen den Stil nach, der in der Werbung als nachahmenswert herausgestellt wird, sie setzen um, was sie als Alltag erleben, sie kommen nur auf die Ideen, die ihnen vorgesetzt werden.
Sicher ist auch fragwürdig, daß sich die Medien so sehr auf die dramatischen Vorfälle, die soviele Menschen das Leben gekostet haben, gestürzt haben.

Aber die Idee ist nun mal verbreitet, nun muß man auch sehen, was man gegen derlei Katastrophen an Maßnahmen ergreifen muß. Daran wird man kaum vorbeikommen, denn Zuschauen und Vertrauen auf Gott reicht offenbar nicht. Und derlei Schutz ist der Staat seinen Bürgern auch schuldig. Auch die Gurtpflicht schützt etwa vor etwas, was man leicht mit etwas Vernunft vermeiden kann. Allein auf Vernunft zu setzen angesichts des Egoismus des Einzelnen wäre auch naiv und ist angesichts der Ereignisse insoweit auch als gescheitert zu bezeichnen. 
Zudem: Wäre denn der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Computer-Spieler derart gravierend?

Kann man ohne virtuelles Töten nicht auskommen? 

Wenn dahinter ein Suchtproblem steht, ist gerade das kein gutes Argument für ein schrankenloses Zulassen aller Tötungsspiele. Und wenn man ohne auskommen kann und dies Leben rettet, dann sollte ein Verbot doch keine ernsthafte Frage sein.
Zugunsten des Lebens anderer und zur Verhinderung von immensem Leid der Hinterbliebenen sollte ein Verzicht auf realistisches Töten auf Pixel-Ebene doch selbstverständlich sein.

Soviel schuldet man dem Gemeinwesen jedenfalls. 
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